DIE NACH(T)SPEISE

Nach dem Dessert, nächtens nachgespeist? – Wer hätte da nicht Appetit?
Von Karsten Pietsch
Journalist, mdr-Radioreporter
u.a. in Leipzig

Ute Loeck und Wolfgang Kaiser von Le dessert Leipzig beim Hoftheater-Gastspiel im Kirms-Krackow-Haus zu Weimar, tagsüber 35 Grad, 21:00 Uhr 27 Grad am Thermometer. Jemand fragt: „Haben die Schauspieler heute Hitzefrei, oder spielen die auch bei Wärme?“

 

Treffen sich zwei Schauspieler, „weißt Du noch damals, als … nein, das war anders, nämlich so …“

Einst spielten sie Romeo und Julia auf der Bühne. Sie haben viele Rollen gestaltet, aus vielen Figuren in die Welt gesehen.

 

Von all dem gibt es in diesem Theaterstück etwas zu hören, zu sehen, noch viel mehr zu erahnen. Texte gehen durch Herz und Hirn und Körper in die Stimme. Das ist Schauspiel fürs Ohr. „Was machst Du, was machst Du demnächst …?“ „Aha! Oh! Einen Abend über die Liebe? Mit wem …?  – „Warum … nicht mit mir?!“ So entflammt, spannt und spinnt sich ein Theaterstück über ein mögliches Programm über die Liebe zur Liebe und vor und nach der Liebe … Beide Akteure bleiben in ihrer Rahmenhandlung im Gespräch und in ihrem Drama. Zitate, Texte, Lieder reihen sich ein in die erzählten Erklärungen und Auseinandersetzungen.

 

Akustisch spielt der Hof mit, denn die Darsteller benutzen keine Mikrofone, keine Elektroakustik mit Mischpult und nachgesteuerten technischen Raffinessen. Alle absolut live. Klang, Nachhall im Hof. Bei abendlicher Sommerschwüle weiß das Publikum das mit Stille und Aufmerksamkeit zu schätzen und zeigt sich mit gelegentlichem Zwischen- und Schlussapplaus enthusiastisch. Ach, mögen doch öfters die Schauspieler mal sich selbst als Schauspieler spielen dürfen!

 

„Männer wollen gutes Essen, guten Sex und mögen ansonsten in Ruhe gelassen werden!“ Im Publikum haut eine kräftige Frau ihrem kräftigen Mann auf den Oberschenkel, und der schaut kleinmütig lächelnd lautlos zur Seite.

 

Gegen Dreiviertelelf kommt der Security-Mann der Schlösserverwaltung und erkundigt sich, wann im Kirms-Krackow denn nun bald Nachtruhe sein wird. Wer noch ein Stück spazieren will, stolpert über das Straßenpflaster eine Gasse weiter, zu jenem Haus, in dem Goethes Frau Christiane Vulpius einst geboren wurde. Dass beider Ehebett gelegentlich vom Schlosser repariert werden musste, haben Historiker anhand von Rechnungen belegen können. Goethes Liebes-Epigramme kamen im Programm auch vor.

Prickelnder Abend um die schönste Nebensache der Welt

Ute Loeck und Wolfgang Kaiser begeisterten mit heiter-erotisch angerichteter „Nach(t)speise“
Von Iris Henning
freiberufliche Journalistin
Rodeberg

Von Nachspeisen wird ja so einiges erwartet. Erst recht, wenn eine solche als „Nach(t)speise“ verheißungsvoll angekündigt wird. Mit „Le Dessert – die Nach(t)speise“ begeisterten dann auch die Leipziger Schauspielerin, Kabarettistin und Sängerin Ute Loeck und der Erfurter Schauspieler Wolfgang Kaiser auf der Kleinkunstbühne der 3K Theaterwerkstatt in Mühlhausen ihre Zuschauer.

 

Als in die Jahre gekommene alte Bekannte einer verflossenen Beziehung begegnen sie sich unerwartet in einem Altersheim – und sie werden in ihrem letzten Lebensabschnitt noch einmal richtig jung. Frau und Mann verlieren sich in dem prickelnden Spiel von Verlangen und Begehren, tragen zum großen Spaß des Publikums verbale Scheingefechte à la typisch Mann und typisch Frau aus, balancieren lustvoll-heiter zwischen zarter Romantik und zügelloser Hemmungslosigkeit. Sie bezirzen ihre Zuschauer hingebungsvoll und leidenschaftlich mit schmachtenden, frivolen und bisweilen deftigen Liebesliedern und erotischer Literatur von der Antike bis zur Gegenwart. Wunderschön die von Ute Loeck mit rauchig-erotischer Stimme dargebotenen Chansons.

 

Wohl jeder im Publikum wünschte sich, von diesem Dessert, dieser mit großer Liebe angerichteten, zärtlichen, deftigen und heiß-kalt servierten Nach(t)speise, noch ein Häppchen mehr zu bekommen. Der anhaltende, begeisterte Applaus bestätigte: Es war ein wunderbarer Abend um die älteste und schönste Nebensache der Welt, für die Mann und Frau nie zu alt sind.